Der FC Lugano ist weder zwingend noch dominant, dennoch schockiert er den ganzen Zürcher Trainerstab und auch Teile der Vereinsführung mit dem Siegtor in der letzten regulären Minute. Beim FCZ macht sich die Verzweiflung und auch eine gewisse Ratlosigkeit breit, sehr gut erkennbar in den Gesichtern der Beteiligten.
FC Zürich - FC Lugano 1:2
3. September 2022, Stadion Letzigrund
23′ Steffen
32′ Tosin
89′ Amoura
Es hätte für die Heimmannschaft nicht schlimmer starten können. Nur wenigen Minuten nach Spielbeginn, kann Haile-Selassie den Ball gegen zwei Zürcher behaupten, überläuft Omeragic (!) und legt den Ball zurück auf Celar, welcher den Ball gekonnt für den heranlaufenden Steffen auflegt. Der Neu-Luganesi lässt solche Chance nicht ungenutzt und markiert die frühe Führung für die Tessiner. Ein Willkommensgeschenk.
FC Lugano
Saipi; Valenzuela, Daprela, Mai, Arigoni; Haile-Selassie, Sabbatini, Bottani, Doumbia, Steffen; Celar
In der Folge versuchen die Zürcher das Spiel zu animieren und operieren weniger mit hohen Bällen in die Spitzen, was sich mit dem bestehenden Kader als ausserordentliches schlechtes Mittel bewiesen hatte. Die Suche nach dem Spiel erweist sich schwierig und es folgt ein steriler Ballbesitz.
FC Zürich
Brecher; Mets, Kryeziu, Omeragic; Guerrero, Selnaes, Dzemaili, Avdijaj, Boranijasevic; Tosin, Rohner
Die Luganesi versuchen wiederholt die Aussen des FCZ ins Mittelfeld zu locken, um damit Läufe der Mittelfeldspieler in die Tiefe zu fördern und damit ein Missmatch in der Schnelligkeit gegen Kryeziu und Mets zu generieren. Bottani und Haile-Selassie, die häufig gesuchten.
Aber es ist nicht alles schlecht bei den blauweissen, die Aktionen werden mit mehr Spieler begleitet als zuletzt. Und so ist es auch, als Tosin dank eines glücklichen Doppelpasses mit Dzemaili via Innenverteidiger Daprela des FC Lugano, den Ball mit Übersicht an Saipi vorbei in die Ecke schiebt. Lugano hat nochmals eine Grosschance als Celar, auf tollen Tiefpass Bottanis und gefördert durch Mets ungelenke und schlecht koordinierte Deckungsarbeit, im Strafraum zu Abschluss kommt. Die starke Abwehr von Captain Brecher verhindert schlimmeres. Auf der Gegenseite gelangt, nach einer guten Aktion über mehrere Spieler, Guerrero an der Strafraumgrenze nach Auflage Rohners zu einer guten Abschlussmöglichkeit. Der Schuss geht allerdings klar übers Tor. Leichte Vorteile für den FC Lugano, der insgesamt gefährlicher agierte.
Zur Halbzeit kommt Aliti für den überforderten und bereits verwarnten Mets.
Der FCZ kommt gut aus der Pause. Es sind in den Strafraum getreten, Freistösse und Eckbälle, die für etwas Gefahr sorgen. Es hat sich unweigerlich herumgesprochen, dass in der Regel Kryeziu gesucht wird. Entsprechend wird er von dem Gegner gestört, in einer Situation allenfalls auch regelwidrig. Der VAR bleibt aus.
Zuweilen wird es den Tessiner einfach gemacht, den Ball laufen zu lassen. Zu unkoordiniert das Pressing, zu weit weg die Zürcher von deren Gegenspielern.
Die erste nennenswerte Aktion, ist ein Schuss aus der zweiten Rehe durch Tosin, nach Ballgewinn im Mittelfeld. Der Nationalspieler Benins, war der beste Zürcher auf dem Platz, sehr aktiv, viel Laufarbeit und gewonnene Zweikämpfe. Genau er kann in der 59. Minute den Ball behaupten und Boranijasevic freispielen. Dieser kann in Strafraum laufen, lässt Valenzuela aussteigen und schiesst aus guter Position übers Tor. Die beste Möglichkeit bis zu dem Zeitpunkt. Daraufhin sticht Lugano einen Konter, der lange Ball auf Celar und die Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Omeragic und Brecher, kann der Slovene nicht ausnutzen. Nur kurz darauf, kann wieder Steffen relativ frei im Strafraum die Ecke aussuchen, aber er ist ebenfalls ungenau wie Boranijasevic zuvor.
Dennoch ist es ab die beste Phase des Spiels für den FCZ. Auch nach den vielen Auswechslungen. Bei Lugano kommen Babic und Mahou für die bisher gefährlichen Celar und Steffen. In der Heimmannschaft folgen Conde, Krasniqi und Okita für Dzemaili, Avdijaj und Rohner.
Jetzt ist der FCZ bestimmend und hat viel Ballbesitz, immer noch zu wenig zwingend, aber er läuft in dieser Phase nicht Gefahr in Rückstand zu geraten. Krasniqi, ein Aktivposten, steckt den Ball für Tosin durch, der sucht Okita auf dem zweiten Pfosten. Der Neuzugang kann den Ball nicht entscheidend aus zwei Metern ins Tor lenken. Das hätte die Führung sein müssen. Okita hat wenig später eine gute Aktion und als an der Strafraumgrenze den Gegner abschüttelt und das Tor sucht. Saipi lenkt ab. Vermisst wird der Killerinstinkt.
Und so kommt es wie es kommen muss. Ich habe mich noch gefragt, ob man eher auf das Unentschieden spielen soll oder auf Sieg. Letzteres ist die Meinung im nahen Umfeld. Mit Santinis Einwechslung für Guerrero, ist die Offensivausrichtung klar, Zürich jetzt in einem 4-3-3 aufgestellt. Ein Zeichen von der Bank. Lugano hatte sich allerdings gefangen und vereinzelt Offensivaktionen initiiert. Als in der 89. Minute das Pressing von Selnaes und Krasniqi zum Ballgewinn führt und das Heimteam nochmals mit Zug aus das gegnerische Tor anlaufen kann, verpasst der Mittelfeldspieler den richtigen Zeitpunkt, um den heranstürmenden Okita anzuspielen und vertändelt den Ball. Im Gegenzug wird der FC Lugano den Siegtreffer erzielen. Am Schluss ist es das zögerliche Abwehrverhalten bei der Hereingabe von Valezuelas (Boranijasevc, Omeragic), die vom eingewechselten Amoura verwertet wird. Aliti hatte den Stürmer im Rücken nicht auf dem Radar und ging auch nicht entschlossen zum Ball. Diesen Rückstand kann der FC Zürich in der Nachspielzeit nicht mehr korrigieren.
Und somit bleibt das Heimteam in der Tabelle weit hinter den Erwartungen, sogar Negativrekorde werden wiederholt vernommen, mit mickrigen zwei Punkten aus sieben Spielen. Und dies, obwohl der FCZ für einmal eine ganze Woche auf das eine Spiel, offensichtlich von zentraler Bedeutung, hat vorbereiten können. Die Aussichten haben sich soeben nochmals verschlechtert.